Ziemlich interessante TV-Dokumentation zum Wirtschaftswunder.
Und wodurch die Basis für den Wirtschaftsaufschwung wirklich gelegt wurde.
Das ist ziemlich interessant, weil die Politik, die Deutschland den kriselnden Südländern vorschreibt, zu großen Teilen auf einer falschen Wahrnehmung des deutschen Wirtschaftswunders beruht. Wir Deutschen glauben nämlich, dass der Wiederaufstieg Deutschlands vor allem auf harter Arbeit mit ein wenig Unterstützung durch die D-Mark und die soziale Marktwirtschaft zurückgeht. Und sonst nichts.
OK, dass der Marshallplan etwas dazu beigetragen hat, hat sich rumgesprochen. Aber dass der Schuldenschnitt nach dem 2. Weltkrieg massiv geholfen hat, ist schon weniger bekannt.
Der Film hat direkt eine Reihe Augenöffner.
a) Deutschland war bei weitem nicht so zerstört, wie man angesichts der ewig wiederholten Bilder der total niedergebombten Innenstädte meinen könnte. Teile von Deutschland wurden überhaupt nicht von den britischen Fliegern angegriffen. Und auf Bombardements des platten Landes wurde eh verzichtet. Aus eigenen Berichten (Opa) weiss ich auch, dass die Kohleproduktion in seiner Zeche nie ernsthaft unterbrochen war. Dass hier alles am Boden lag, stimmt nicht. Gerade die mittelständische Wirtschaft in der Fläche war kaum betroffen (Die Amerikaner haben ziemlich ernüchtert festgestellt, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft trotz ihrer Massenbombardements nicht wesentlich beeinträchtigt war).
b) Der Marshallplan ist überbewertet. Viele der Leistungen erfolgten als Sachleistung und zwar nur, weil die Amerikaner Überschüsse z.B. bei Baumwolle loswerden wollte.
c) Ein gehöriger Teil des Wiederaufschwungs beruhte darauf, dass aktiv Ingenieure aus dem Ostteil nach Westdeutschland geholt wurden (illegal über die Grenze geschmuggelt).
d) VW und der VW Käfer waren vor allem auf "billig" aus. Ganz in der Historie der Kriegsproduktion, in der Flugzeuge nicht für 10 Jahre, sondern für die paar Wochen bis zum Abschuss geplant und produziert wurden.
e) Lohndumping. Nach dem Krieg gab es wohl nirgendwo auf der Welt eine für Unternehmen so perfekte Mischung aus hochqualifizierten Arbeitern und Ingenieuren und niedrigen Löhnen. Gut ein Jahrzehnt in der Kriegsindustrie eingesetzt, jetzt alle arbeitssuchend.
f) Der Koreakrieg war der Hauptgrund, warum Deutschland nach dem Krieg den ersten Exportüberschuss einfahren konnte.
Und viele weitere Punkte. (Wer hat die D-Mark eingeführt? Erhard oder die Amerikaner?)
(Ein wichtiger Punkt, der übrigens fehlt, ist die massive Unterbewertung der D-Mark nach dem Krieg. Diese wurde zwar permanent aufgewertet, aber jedes Mal viel zu spät. Eigentlich war die D-Mark bis in die 70er Jahre fast immer spürbar unterbewertet (der Wechselkurs war fix und wurde nicht an der Börse festgelegt. Wie heute in China)
Das Spannendste, was ich im Bereich Wirtschaftsdokumentation seit Längerem gesehen habe. Dicker Tipp. Auch wenn das Wetter gerade nicht zum Schauen von Wirtschaftsdokumentationen einlädt ...
Das sollte sich alles mal rumsprechen, vielleicht hört dann auch die Rettungspolitik in den Südländern endlich auf. Und wir schneiden endlich mal die Schulden richtig, sorgen für sowas wie einen Marshallplan und geben den Ländern wieder eine Perspektive in Europa. Und nicht in Nordafrika ...
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