Arme Schwaben: Sie haben der Welt Hölderlin, Lothar Späth und die S-Klasse beschert. Seit Jahren tüfteln und werkeln sie so emsig vor sich hin, dass ihre Schaffenskraft sprichwörtlich geworden ist. Ganz Deutschland lebt vom schwäbischen Fleiß (na gut, vielleicht nicht ganz Deutschland, aber immerhin beachtliche Teile, angefangen von Bremen, Brandenburg, dem Saarland und natürlich Berlin). Doch statt Bewunderung und Dank trägt ihnen ihr Einsatz häufig nur Hohn und Spott ein. Dagegen hilft nicht einmal die Wahl einer grün-roten Landesregierung, so sehr man sich im Ländle das auch gewünscht hätte.
Gerade hat der bekannte Großstadttheoretiker Wolfgang Thierse seinem Ärger über die Schwaben Luft gemacht, weil sie ihm in seinem Kiez überall auf die Pelle rücken und er ständig Wecken statt Schrippen sagen muss beziehungsweise Pflaumendatschi statt Pflaumenkuchen. "Ich wünsche mir, dass die Schwaben begreifen, dass sie jetzt in Berlin sind und nicht mehr in ihrer Kleinstadt mit Kehrwoche", donnerte er via dem Berliner Volksblatt "Morgenpost" den Fremden entgegen, was wiederum bekannte Vertreter des internationalen Schwabentums wie den ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger pikiert darauf hinweisen ließ, dass ohne das Geld aus Baden-Württemberg das süße Leben in Berlin nur halb so schön wäre. Unnötig darauf hinzuweisen, dass dies aus Sicht von Leuten wie Thierse nur einen weiteren Beweis für die schwäbische Spießigkeit liefert.
Thierse ist noch harmlos, muss man sagen. An manchen Ecken der Hauptstadt hängen Plakate mit der Aufforderung "Schwaben raus". Schon äußere Zeichen der Fremdheit wie zu langes Verweilen oder Herumschauen können Unmut hervorrufen. Die Grünen in Kreuzberg luden kürzlich zu einem Diskussionsabend mit dem Titel "Hilfe, die Touris kommen", wo aufgebrachte Kiezbewohner eine Bannmeile um ihr Viertel forderten. Die Toleranzgrenze ist in den linksbürgerlichen Revieren dünn, wie man sieht. Man mag sich gar nicht ausmalen, was am Prenzlauer Berg los wäre, wenn man dort Köfte statt Bulette sagen müsste.
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