Wer Musik oder Filme mutmaßlich illegal tauscht, soll vom Provider verwarnt werden. So wollen es Rechte-Inhaber und Politik. Ein Gutachter aber hält das für rechtswidrig.
Ein Internetnutzer erhält von seinem Provider eine Nachricht. "Über die IP-Adresse, die Ihrem Anschluss zugeordnet wurde, ist mutmaßlich illegal kopiertes Material hoch- oder heruntergeladen worden", steht darin. Und weiter: "Das hat der Rechteinhaber dieses Materials festgestellt. Er hat uns beauftragt, Ihre Identität festzustellen und Sie zu verwarnen. Sollten wir Sie mehrmals verwarnen müssen, wird der Rechteinhaber vor Gericht Auskunft von uns über Sie, den Anschlussinhaber, verlangen und weitere Schritte einleiten."
So könnte ein Warnmodell zur Abschreckung von Filesharern aussehen. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat vor einigen Wochen eine Studie der Fachhochschule Köln vorgestellt, in der ein solches "vorgerichtliches Mitwirkungsmodell" für Deutschland vorgeschlagen wird. Doch ein Gegengutachten, in Auftrag gegeben vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, kommt zu dem Schluss, solche Modelle seien in mehrerlei Hinsicht rechtswidrig.
SpoilerDie Einschätzung der Fachhochschule Köln, die Warnhinweise könnten in Deutschland eingeführt werden, da dies aus datenschutzrechtlicher, europa- und verfassungsrechtlicher Sicht zulässig sei, teilt Hoeren nicht:
Gegen das vorgeschlagene Warnhinweismodell bestehen sowohl aus politischer, praktischer, technischer als auch aus rechtlicher Sicht erhebliche Bedenken", schreibt er.
Hoeren hat eine ganze Reihe von Kritikpunkten. Ein zentraler Einwand gegen Warnhinweise sei die "Privatisierung der Rechtsdurchsetzung". Das Modell führe "im Kern dazu, dass Private Befugnisse erhielten, die eigentlich (Strafverfolgungs-)Behörden oder den Gerichten vorbehalten sein sollten. Denn das Modell sieht vor, dass die Zugangsanbieter lediglich auf Hinweis der Rechteinhaber ihre Kunden verwarnen und in die Verstoßliste aufnehmen. Die rechtliche Einzelfallprüfung, ob tatsächlich ein Verstoß gegen geltendes Recht vorliegt, können die Zugangsanbieter schlechterdings nicht leisten."
Ein weiteres: "Denn den Nutzern stehen keine entsprechenden außergerichtlichen Instrumentarien zur Verfügung, mit denen sie sich gegen unberechtigte Verstoßvorwürfe wehren könnten", heißt es im Gutachten. Das sei hinsichtlich der Unschuldsvermutung "bedenklich".
Vor einer "Privatisierung der Rechtsdurchsetzung" hatte zuvor schon der Verein Digitale Gesellschaft in einem Schattenbericht zur Studie der Fachhochschule Köln gewarnt. Der Vereinsvorsitzende und Blogger Markus Beckedahl sagte: "Internetanbieter und Hoster werden damit gleichzeitig zu Richtern und Hilfspolizisten in Personalunion gemacht. Diese Maßnahme durchbricht ein ehernes Prinzip: Der Internetanbieter ist nicht für die transportierten Inhalte haftbar und soll sich ausdrücklich nicht um diese kümmern. Die Post schickt Ihnen auch keinen Warnbrief, wenn Sie eine Kopie eines Zeitungsartikels verschicken."
SpoilerAuf den Schattenbericht bezieht sich Hoeren auch selbst. Unter dem Punkt Falsche Zuordnung von IP-Adressen verweist er auf das Argument der Digitalen Gesellschaft, dass Inhaber eines Internet-Anschlusses nicht immer auch die Benutzer hinter einer IP-Adresse sind:
"Oftmals werden Internetverbindungen mit einer großen Anzahl fremder Personen geteilt, sei es absichtlich oder unabsichtlich. Darüber hinaus kommt es immer öfter zu Sicherheitslücken in Systemen. Diese machen sich Kriminelle zunutze und verwenden 'gehackte', fremde Internetzugänge für Rechtsverstöße. Darüber hinaus setzen Nutzer zunehmend Anonymisierungstools ein."
Ganz im Sinne von eco beschreibt der Juraprofessor zudem, wie "das Warnhinweismodell im Ergebnis einseitig die Interessen der Rechteinhaber stärkt". Die Zugangsanbieter – viele von ihnen sind bei eco organisiert – müssten dagegen "befürchten, gegenüber ihren Kunden als 'moralisch' Verantwortliche für das Vorgehen der Rechteinhaber dazustehen."
In seinem eigenen Fazit schreibt Hoeren, die Etablierung eines Warnhinweismodells würde weitergehenden Maßnahmen wie Internetsperren den Weg ebnen, wie sie von den Rechteinhabern auch immer wieder gefordert würden. Die Autoren der BMWi-Studie schließen solche Maßnahmen zwar aus, und auch die Bundesregierung hat sich – zuletzt in Person von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) – eindeutig gegen Netzsperren ausgesprochen. Aber der Jurist denkt offenbar an künftige Regierungen – und an den Grundsatz der Netzsperren-Gegner seit den Protesten gegen das Zugangserschwerungsgesetz: Wehret den Anfängen.
Schön das es noch Menschen gibt die sich dagegen wehren und versuchen unsere Rechte zu wahren.
Hier ist noch ein interessanter Bericht von Juraprofessor Thomas Hoeren:
Thomas Hoeren, Juraprofessor an der Universität Münster, untersuchte das "Two Strikes"-Modell und befand es als rechtswidrig, da es dem Fernmeldegeheimnis widerspreche. Es sei mit dem EU-Recht nicht vereinbar. Außerdem seien Warnhinweise datenschutzrechtlich "äußerst bedenklich".
Juraprofessor kritisiert "Two Strikes"-Warnmodell für Filesharer
ich halte es auch für ganz wichtig dass die viel zu hohe zahl an EU richtlinien die nicht nur in die selbstbestimmung der staaten sondern auch rechte der bürger eingreifen angemessen gegenwind erhalten
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