Santa Ana, USA - Im Rechtsstreit zwischen dem Pay-TV-Unternehmen Echostar und dem Murdoch-Verschlüsselungskonzern NDS wurde am Mittwoch eine zentrale Figur befragt. Der kanadische Hacker Christopher Tarnovsky hat eingestanden, von NDS zur Programmierung einer Piratensoftware angeheuert worden zu sein.
Gleichzeitig stritt er jedoch ab, die Nagrastar-Smartcards des US-amerikanischen Pay-TV-Anbieters Dish gehackt zu haben. Seine Aufgabe sei vielmehr gewesen, eine Piratensoftware zu entwickeln, um die Verschlüsselung des NDS-Kunden DirecTV sicherer zu machen.
Dem widersprachen die Echostar-Anwälte und erneuerten ihrerseits den Vorwurf, Tarnovsky habe im Auftrag von NDS die Nagrastar-Smartcards ihrer Satellitenplattform Dish TV gehackt, einen Smartcard-Piratenring unterstützt und damit insgesamt einen Schaden in Höhe von 900 Millionen US-Dollar angerichtet.
Echostar beschuldigt NDS in diesem Verfahren, Hacker auf das Nagrastar-System angesetzt zu haben. Ziel von NDS sei es gewesen, von den eigenen massiven Problemen abzulenken - die eigenen Smartcards war über Jahre gehackt - und den Hauptkunden DirecTV nicht zu verlieren. Denn das hätte das Ende auf dem nordamerikanischen Markt bedeutet.
Bei dieser Rettungsaktion soll Tarnovsky eine zentrale Rolle gespielt haben. Der renommierte Hacker war NDS aufgefallen, weil er am Hack des Murdoch-Systems entscheidend beteiligt war. Daraufhin heuerte man ihn an, Tarnovsky bildete in den kommenden Jahren das wichtigste Verbindungsglied zur Hacker- und Piraterie-Szene in Nordamerika.
Im Rahmen der Befragung durch einen Echostar-Anwalt räumte er ein, im Auftrag von NDS ein Gerät entwickelt zu haben, mit dem die Smartcards des NDS-Kunden DirecTV illegal freigeschaltet werden konnten. Um die Kontrolle über die Zahl der Piratenkarten zu behalten, implementierte Tarnovsky eine Technologie, die den "Stinger" getauften Smartcard-Writer nach Ablaufen einer bestimmten Anzahl von Beschreibvorgängen unbrauchbar machte.
Die Echostar-Anwälte warfen Tarnovsky nun vor, im Auftrag von NDS diesen Stinger an den kanadischen Piraten Al Menard gegeben zu haben. War das Kontingent aufgebraucht, musste Menard bezahlen. Dies geschah, indem er in Elektronikgeräten verstecktes Bargeld an ein auf Tarnovsky eingetragenes Postfach in Texas schickte. Von dort wurden die Pakete dann automatisch nach Kalifornien zum Wohnsitz des Hackers weitergeleitet. Dies wieß Tarnovsky entschieden von sich. "Ich habe niemals Geld dafür erhalten, Echostar-Smartcards neu zu programmieren", erklärte er dem Gericht.
Im August 2000 fingen US-Zollbeamte innerhalb weniger Tage zwei an dieses Postfach gerichtete Pakete ab. In beiden fanden sich elektronische Geräte, die in einem Fall mit 20 000 US-Dollar, das Zweite mit 20 100 US-Dollar gefüllt waren. Befragt auf diese Geldsendungen bestritt Tarnovsky jeglichen Zusammenhang mit seiner Person und verwies auf eine Verschwörung.
Zuvor hatte er aber zugeben müssen, dass das Postfach von ihm eingerichtet wurde, er selbst dem Piraten Menard die Adresse des Postfachs gegeben und dort zuvor bereits ein Paket von dem kanadischen Piraten erhalten hatte. Damals hatte Menard bei der Paketaufgabe angegeben, dass es sich um ein Geburtstagsgeschenk handeln würde - die Anwälte verwiesen süffisant darauf, dass dieses Geschenk doch mit mehr als dreimonatiger Verspätung entweder deutlich zu spät oder früh wäre. Tarnovsky bestritt, dass auch in diesem Paket Bargeld über die Grenze US-kanadische Grenze geschmuggelt wurde.
Doch die Echostar-Anwälte stützen ihren Fall nicht nur auf die dubiosen Geldpakete: Bereits am Dienstag wurde Tarnovsky von einem weiterer Hacker vor Gericht schwer belastet. Der zum Kreis von Menard gehörende Zeuge erklärte, dass Tarnovsky vor ihm mit der Entwicklung des Stingers angegeben habe, und dass dieses Gerät Nagrastar-Smartcards hacken könne. Zu einem anderen Zeitpunkt will er auch dabei gewesen sein, wie Menard 50 Echostar-Smartcards mit dem Stinger umprogrammiert hat.
Besonderen Wert legte Echostar während der Befragung Tarnovskys darauf, dem NDS-Hacker nachzuweisen, dass er es war, der 2000 die Echostar-Karten endgültig verraten hat. Das Weihnachtsfest 2000 begann für die nordamerikanische Hacker-Szene mit einem dicken Geschenk: Unter dem Alias "NiPpEr2000" postete eine unbekannte Person auf der Hacker-Seite "dr7.com" eine Anleitung, wie die Nagrastar-Cards zu hacken sind. Dies führte schließlich dazu, dass Echostar die gesamte Smartcard-Population seiner Dish-Kunden unter hohem Arbeits- und Kostenaufwand austauschen musste.
Echostar ist sich sicher, dass hinter "NiPpEr2000" niemand anderes als Tarnovsky steckt, der die sensiblen Daten im Auftrag von NDS hochgeladen hat. Und so verwundert es kaum, dass die Anwälte während der Befragung viel Zeit darauf verwendet haben, den Alias und die bei der Anmeldung des Profils verwendete E-Mail-Adresse ChrisVon@s4interpass.com auf Tarnovsky zurückzuführen. Bei ihren Darlegungen beriefen sich die Echostar-Anwälte ironischerweise auf ein Gutachten der Konkurrenz von DirecTV. Diese hatten selbst begonnen, Nachforschungen über ihren Verschlüsseler NDS anzustellen und dabei eine Internet-Security-Firma unter anderem damit beauftragt, Tarnovsky zu filzen. Der Abschlussbericht dieser Firma listet die Email-Adresse ChrisVon@s4interpass.com zu Tarnovsky. Der Hacker selbst stritt während der Verhandlung jeglichen Zusammenhang ab.
Und auch NDS will mit den Hacks nichts zu tun gehabt haben. Gegenüber der Nachrichtenagentur "Reuters" erklärte das Unternehmen, man habe lediglich zu Vorschungszwecken "Reverse Engineering" betrieben, also die Nagrastar-Smartcards in ihre Funktionsbausteile zerlegt, um das System verstehen zu können. Dies sei Standard in der Branche. Gegenüber DIGITAL FERNSEHEN wollte sich der deutsche NDS-Sprecher auch auf mehrfache Bitte unsere Fragen nicht einmal anhören. Man habe den bisherigen Aussagen nichts hinzuzufügen. Zu der Verhöhrung Tarnovskys gebe es "keinen Kommentar", blockte er die kritischen Fragen von vornherein ab.
Die Stimmung ist gereizt, wohl auch, weil die Tarnovsky-Befragung einen weiteren Verdacht nährt: Der NDS-Hacker gestand innerhalb seiner Befragung ein, über zehn Jahre hinweg Geld erhalten zu haben - allerdings nicht von NDS selbst, sondern über die Konten des Murdoch-Verlagshauses Harper Collins. Dies kann als Hinweis gedeutet werden, dass höhere Stellen im Murdoch-Imperium den Echostar-Hack unterstützt haben.
Ganz konkret stellt sich die Frage, wie viel Rupert Murdoch von den Machenschaften seiner NDS-Manager wusste. Schließlich traten die Smartcard-Hacks erst auf, nachdem Echostar-Gründer Charlie Ergen im Mai 1997 den Verkauf seines Unternehmens an Murdoch platzen ließ. Streitpunkt soll damals übrigens das Verschlüsselungssystem gewesen sein. Als Murdoch wiederholt auf NDS bestand, hat Ergen ihm während des Gesprächs das Programm von DirecTV eingeschaltet haben - mit einer gehackten NDS-Karte. Diese Provokation soll Murdoch damals in Rage gebracht haben.
Quelle DF
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