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Thread: Unabhängigkeitsbewegungen in Europa

  1. #1
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    Unabhängigkeitsbewegungen in Europa

    Am Donnerstag (18.09.2014) findet in Schottland eine Wahl zur Unabhängigkeit von Großbritannien statt:
    Aktuelle Umfrageergebnisse liegen bei ca. 50/50 - je nach Verantwortlichem wird mal der einen oder der anderen Seite die Mehrheit zugeschrieben.

    Von allen Trennungsversuchen nimmt dieser Fall eine bemerkenswerte Sonderstellung ein - die aber ein Modell bilden könnte:
    1. Großbritannien ist eine Vereinigung von 4 Königreichen (England, Wales, Schottland, Nordirland)
    2. Schottland trat dem Vereinigten Königreich 1707 bei und würde nun einfach wieder austreten
    3. Es gibt eine Wahl
    4. Der Rest Großbritanniens bzw. die Regierung in London wird das Wahlergebnis anerkennen.

    Insbesondere die letzten beiden Punkte und dass es (siehe 1.) eine klare Grenze gibt, vereinfachen den Prozess.

    Die Gründe für die Abspaltung liegen in der Politik und dem Verständnis zwischen Engländern und den Bewohnern der restlichen Königreiche. Von den knapp 63,7 Mio. Einwohnern leben 53,5 Mio. in England. Die restlichen 10,2Mio. verteilen sich auf Wales (3,1), Schottland (5,3) und Nordirland (1,8).
    Viele der Gesetze für das gesamte UK können daher allein mit der Mehrheit der englischen Abgeordneten entschieden werden.
    Die Vorstellungen der schottische Bevölkerung unterscheiden sich (z.B. im Bereich Sozialstaat, Steuern,...) deutlich von den Entscheidungen im Parlament.
    Ebenso begrüßen die Schotten eher die europäische Integration, während aus London weniger konstruktive Beiträge zur EU kommen.
    Das alles führt zu gewissen Spannungen in der Partnerschaft - folglich wird über eine Trennung gesprochen.

    Daraus ergibt sich die Frage: Wie wirkt sich das auf Verträge und Mitgliedschaften aus?
    Das hängt von der Art der Trennung ab:
    1. Abspaltung - Rest-UK erbt die Verträge und Schottland müsste alles neu abschließen (EU, UNO,...)
    2. Teilung - beide Staaten sind Rechtsnachfolger und somit gelten die Verträge automatisch weiter für beide Staaten
    3. Auflösung - Zwei neue Staaten werden gegründet und der alte hört auf zu existieren: Beide neuen Staaten müssen Verträge neu abschließen.

    Insbesondere für die Kontinuität ist Variante 2 Empfehlenswert.

    Betrachten wir nun mal andere Gebiete, die ebenso nach Unabhängigkeit streb(t)en:
    Katalonien: 1714 im spanischen Erbfolgekrieg eingegliedert; große Unabhängigkeitsbewegung - Mehrheit in der Region für die Unabhängigkeit; Ablehnung und Blockade durch Spanien.
    Baskenland: In den 90ern Gewalt durch die ETA - jetzt: Frieden; Viel Unterstützung, Ablehnung durch Spanien (und Frankreich)
    Flandern/Wallonien: Die belgischen Landesteile wollen öfters getrennte Wege gehen - aktuell ist das Thema wieder aus den Nachrichten verschwunden.
    Norditalien: Die Lega Nord wünscht sich eine Abspaltung des reicheren Norditaliens vom Rest
    Südtirol: Der Landesteil wurde nach dem 1. Weltkrieg Italien zugeschlagen und besitzt nach Unruhen seit 1972 Autonomiestatus.
    Tschechien/Slowakei: Zum 1.1.1993 haben sich die beiden Landesteile (die Entstehung war auch ein Resultat des 1. Weltkrieges)

    Jugoslawien:
    Slowenien, Kroatien, Bosnien & Herzegowina, Montenegro und Mazedonien haben sich nach kriegerischen Auseinandersetzungen 1992-2006 abgespalten - der verbliebene Staat ist Serbien.
    Der Kosovo hat sich einseitig von Serbien für unabhängig erklärt, was von Serbien nicht anerkannt wird. - Im Norden/Nordosten stellen die Serben die Mehrheit, die sich gegen die Unabhängigkeitserklärung aussprechen.

    In Transnistrien - dem Teil Moldawiens östlich des Dnister - hat sich seit 1992 eine unabhängige Regierung etabliert, die einen Anschluss an Russland bevorzugt.
    Der restliche Teil strebt eher der EU bzw. Rumänien zu.

    Fehlen noch der östliche Teil der Ukraine (Donezk,Lugansk), die nach den Maidan-Revolten die neue Regierung in Kiew nicht anerkennen.
    Und zum Schluss die Halbinsel Krim, die 1954 der Ukrainischen SSR geschenkt wurde - 2014 erfolgte die Rückgliederung zu Russland.

    All diese Fälle haben gemeinsam, dass Grenzen früher ohne die Menschen festgelegt wurden und diese sich nicht durch die zugeordneten Staaten vertreten fühlen.
    Große Nationalstaaten, die nicht rechtzeitig die Unabhängigkeitsbestrebungen der werden (zumindest in diesen Gebieten) an Legitimität verlieren.

    Auffallend ist aber auch, dass eine Zusammenarbeit mit großen Staaten/Staatenverbünden von all diesen Gebieten gewünscht ist.
    Wir als Bürger der EU sollten uns deshalb überlegen, wie ein Europa ohne künstliche Staatsgrenzen aussehen soll.
    Ein Beispiel könnte das Modell Europa der Regionen sein.

    Je nach Themenfeld in der Politik, ist eine andere Gebietsgröße sinnvoll für Regelungen und Gesetze:
    Außenpolitik wirkt besser bei 500 Mio. Menschen (EU).
    Der Bau von Straßen hingegen sollte eher in kleineren Einheiten geplant werden (Region).

    Wir sollten die Chance nutzen die Fehler der Vergangenheit, in denen Gebiete ohne Rücksicht auf die Bewohner zugeordnet wurden, zu korrigieren.
    Nur dann können langfristig in Frieden leben.

    Die angeführten Beispiele zeigen, dass künstlich oktroyierte Gebiete von der Bevölkerung selten angenommen werden und immer wieder zu neuen Spannungen und Konflikten führen.
    Das Beispiel Kosovo steht zudem noch für eine zu große Abspaltung, weil die Wünsche der Serben um Mitrovice nicht berücksichtigt wurden.
    Wir sollten daraus lernen - nur Gemeinsam aber ohne einander zu sehr "auf die Nerven zu gehen", können wir Europa noch besser machen.
    Vielleicht schaffen wir auch eine Vorbildfunktion, die man in anderen Fällen von Gebietsstreitigkeiten (u.a. Kurdistan, Palestina/Israel, Golan, Kaschmir, Westsahara) als Beispiel nutzen kann.

    Nach 2 Weltkriegen gab es in Mittel-, West- und Nordeuropa keine Kriege mehr. Möge das auch im Rest von Europa (und auch der Welt) gelten - Für Immer!

    -- v6ph1

    PS: Alle statistischen Werte sind gerundet - sollte die Summe der Werte aller Teile mal nicht die des Gesamtgebildes ergeben, so ist das durch Quellen/Rundung bedingt.
    Multibootsysteme einrichten
    Apple: Da ist der Wurm drin.
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    Das Volumen einer Pizza mit Radius z und Höhe a ist gleich Pi·z·z·a
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  3. #2
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    Sehr schöner Beitrag v6 und mal wieder klasse rübergebracht

    Referendum in Schottland: Steinharte Fronten



    Bin mal gespannt wie es ausgeht, klar versprechen sich die Schotten mehr Wirtschaftskraft, aber das wird wohl erst auf längere fristige Zeit gelingen, denn gerade am Anfang wird man erst mal investieren müssen zb. in neue Struckturen zur neuen oder anderen Währung evtl. schottische Pfund anstatt engl. Pfund, später will man ja wahrscheinlich den €uro aber dazu muss man ja erstmal Mitglied der EU sein, was auch erstmal bewälltigt werden muss.

    Diese Abspaltung wie v6 schon sehr schön beschrieben hat, könnte ein Ziel für viele andere europäische Nationen werden die ganz genau jetzt nach Schottland schauen.

    Mal etwas abseits aber garnicht so abwegig, versucht selbst Bayern sich in Deutschland abzuspalten bzw. eigenständig zu werden, siehe dazu:

    ayerns Unabhängigkeit -- Hirngespinst oder realistisch?



    Meinetwegen können sie sich Österreich anschließen, und ihren scheix Fussballverein gleich mitnehmen "Achtung alles nur Satire"

    mfg

    Wer versucht zu rennen, bevor er laufen kann, kommt meistens zu Fall



    stop animal experiments, take child molesters - they like pain!


    Besser man bereut was man getan hat, anstatt zu bereuen das man es unterlassen hat
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    Thanks

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