Wer soll das bezahlen? Und vor allem: wie kann das gerecht finanziert werden? Bei internationalen Vergleichen gibt es zwei auf den ersten Blick widersprüchliche Ergebnisse. Auf der einen Seite gehört Deutschland entgegen landläufigen Vorstellungen zu den Ländern mit der geringsten Steuerquote und selbst wenn Steuern und Sozialabgaben zusammengerechnet werden, liegen wir nur im Mittelfeld. Auf der anderen Seite sind mittlere Arbeitseinkommen so stark mit Steuern und Sozialabgaben belastet wie in keinem anderen Land. Eine Ursache für diesen vermeintlichen Widerspruch ist, dass Vermögen in Deutschland sehr gering besteuert werden. Deswegen brauchen wir insbesondere eine Reform der Erbschaftssteuer, die die Einnahmen erheblich erhöht. Notwendig dafür ist allerdings, die bisherigen Freibeträge deutlich herunter zu setzen und z.B. von dem Dogma, dass „Oma ihr klein Häuschen“ nicht besteuert werden darf, Abschied nehmen müssen. Denn Erbschaften sind sowohl unverdientes wie sehr ungleich und ungerecht verteiltes Einkommen. Neben der Vermögensabgabe sollte es darüber hinaus auch eine Vermögenssteuer geben, was politisch allerdings schwer durchsetzbar sein könnte.
Vor allem liegt der Widerspruch aber daran, wie wir unsere Sozialversicherungen finanzieren, nämlich ausschließlich auf Basis von Erwerbseinkommen und mit Beitragsbemessungsgrenzen, ab deren Höhen die Abgaben nicht mehr höherem Einkommen ansteigen. Wir fordern deswegen Bürgerversicherungen für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Rentenversicherung, bei der Alle auf alle Einkommen einzahlen. Das ist wichtig und richtig. Es bleibt aber das Problem, dass ab der Beitragsbemessungsgrenze die Beiträge konstant bleiben, unabhängig davon, ob jemand 10.000 Euro oder 100.000 Euro verdient. Für Reiche haben wir derzeit also schon eine Kopfpauschale. Auch wenn Steuern und Sozialbeiträge zusammengerechnet werden, führt das dazu, dass der Prozentsatz, der an Steuern und Sozialabgaben bezahlt wird, ab der Beitragsbemessungsgrenze sinkt. Um das zu vermeiden, gibt es mehrere Möglichkeiten. Erstens die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen, was aber an verfassungsmäßige und auf erhebliche politische Grenzen stößt und in der Partei bisher keine Mehrheit gefunden hat. Zweite Möglichkeit wäre eine vollständige Finanzierung der Sozialleistungen über Steuern. Das wäre theoretisch denkbar hat aber zwei Nachteile. Ökonomisch haben Beiträge den Vorteil, dass den Beiträgen eine Gegenleistung gegenübersteht, weswegen die Bereitschaft Beiträge zu zahlen höher ist, und sozialpolitisch gibt es das Problem, dass die Leistungen bei jeder Haushaltsberatung auf dem Prüfstand stehen, während die Leistungen von Sozialversicherungen schwieriger zu ändern sind. Dritte Möglichkeit wäre ein Aufschlag auf die Einkommensteuer ab der Beitragsbemessungsgrenze, der die geringe Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge ausgleicht. Das bedeutet dann einen Spitzensteuersatz deutlich über 50%, den wir auch brauchen, um den ökologischen Umbau der Wirtschaft, Investitionen in Bildung und die Reform der Sozialsysteme finanzieren und gleichzeitig Schulden abbauen zu können.
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