»Wir müssen auf die organisierten Fans aufpassen, die einen immer größeren Einfluss auf die Vereinspolitik nehmen wollen«, sagte VfL-Wolfsburg-Trainermanager Felix Magath Anfang April, wenige Wochen nach seiner Entlassung beim FC Schalke 04. Magath gilt nicht als großer Kenner und Versteher der Fanszenen seiner Vereine. Den Hintergrund der vermuteten Einflussnahme von Fans auf die Vereinspolitik bildeten die Proteste der Münchner Ultras der »Schickeria« gegen die Verpflichtung von Tormann Manuel Neuer und die Unterstützung des Stadtrivalen 1860 München durch den FC Bayern. Aber auch Magaths eigene Demission bei Schalke wurde in der Presse als »Kniefall« vor den Fans bezeichnet, und beim Hamburger Sport-Verein galt die mitgliederstarke Vereinsabteilung des »Supporters Club« als Strippenzieher hinter der Entmachtung von Vorstandschef Bernd Hoffmann.
Die neue Macht der Kurve war in der vergangenen Saison der deutschen Bundesliga ein großes Thema, das perfekt zum Zeitgeist passte: Schließlich demonstrierte in Stuttgart schwäbisches Gutbürgertum allwöchentlich gegen das Bauprojekt eines unterirdischen Bahnhofs und wählte eine neue, grün-rote Landesregierung; im ganzen Land formierte sich eine schlagkräftige neue Anti-AKW-Bewegung, und der Atomausstieg wurde eingeleitet. Von den »Wutbürgern« zu den »Wutfans« ist es nur ein kurzer gedanklicher Schritt.
Da spielt es fast keine Rolle, dass Manuel Neuer längst verpflichtet ist, Magaths Entlassung nur eine Frage der Zeit war und die Hamburger Vereinsverantwortlichen sich zuallererst selbst demontierten. Unerheblich scheint auch zu sein, dass die Forderung von Fans nach Mitsprache alles andere als neu ist – der Schlachtruf »Reclaim the Game« erklang in England bereits mit der Einführung der Premier League 1992 und erreichte auch bald die deutsche Fanszene. Wie weit also reicht die »neue Macht« der Kurve tatsächlich? Simon Müller von der »Schickeria« konstatiert zumindest ein gestiegenes Selbstbewusstsein und eine größere Reichweite: »Fans können ihre Interessen zunehmend erfolgreich öffentlichkeitswirksam artikulieren. Das Bewusstsein dafür und der Organisationsgrad der Fankurven wächst, auch dank der technischen Möglichkeiten im Internet.«
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