Gewerkschafter warnen schon seit Monaten vor dem Datum. Kolonnen von »Lohndrückern« könnten nach Deutschland kommen, fürchtet der DGB. Mehr »Scheinselbstständige« und »Briefkastenfirmen mit polnischen Löhnen« sieht ver.di-Chef Frank Bsirske voraus. Lohndumping werde zunehmen, klagt Franz-Josef Möllenberg, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, wenn die Regierung dem nicht »energisch einen Riegel vorschiebt«.
Die Angst gilt dem 1. Mai. Ausgerechnet dem Tag der Arbeit. Der scheint in diesem Jahr zu einem Tag der Furcht zu werden. Denn von diesem Datum an hindert Mittel- und Osteuropäer nichts mehr daran, sich hierzulande einen Job zu suchen. Der größte Arbeitsmarkt Europas, der deutsche, öffnet vollständig seine Tore – für Polen, Tschechen, Esten, Letten, Litauer, Ungarn, Slowenen und Slowaken. Sie traten 2004 der EU bei, jetzt fallen die letzten Übergangsregeln unwiderruflich weg. Rund 73 Millionen Menschen verfügen damit über die gleichen Rechte wie jeder andere EU-Bürger. Eigentlich sollte das ein Grund zur Freude sein, ist es doch der Abschluss einer Entwicklung, die mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs vor mehr als 20 Jahren begonnen hat.
Doch nicht nur Gewerkschaftsfunktionäre sehen dem Tag mit Bauchgrimmen entgegen. Einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK zufolge glauben fast 75 Prozent der Deutschen, dass hierzulande Menschen ihre Jobs verlieren, wenn die neuen Konkurrenten aus dem Osten kommen.
Dabei ist gar nicht klar, wie viele Polen, Tschechen oder Balten von Mai an tatsächlich ins Land strömen. Schließlich arbeiten viele Mittel- und Osteuropäer längst hier: legal als Selbstständige, Saisonarbeiter, entsandte Kräfte und Au-pairs. Oder illegal als Schwarzarbeiter. Wenn Deutschland seine Türen nun komplett aufsperrt, vermögen auch Wissenschaftler die Folgen nicht sicher vorherzusagen.
Deutschland und Österreich geben als letzte der alten EU-Staaten ihre Arbeitsmärkte völlig frei. Sie haben die siebenjährige Übergangsfrist voll ausgeschöpft. Deshalb suchten viele Mittel- und Osteuropäer in den vergangenen Jahren ihr Glück in Großbritannien und Irland
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