Die Polizei in Berlin darf keine friedlichen Demonstrationen filmen. Mit dieser Entscheidung beendet das Berliner Verwaltungsgericht die langjährige Praxis der Gesetzeshüter, womöglich auch mit Konsequenzen für andere Bundesländer.

Geklagt hatten eine Bürgerinitiative und eine Privatperson. Dabei ging es um eine Demonstration gegen die Nutzung von Kernenergie am 5. September 2009 in Berlin. Auf dieser größten Anti-Atomkraft-Demo in Deutschland seit dem Jahr 1986 waren die Teilnehmer von der Polizei gefilmt worden. Dies geschah, obwohl man bei den Demonstranten keine Absichten zu gewaltsamen Tätigkeiten erkennen konnte. Das Bundesversammlungsgesetz, welches in Ländern gilt, die kein eigenes Versammlungsgesetz besitzen, wie zum Beispiel Berlin, sagt aber aus, dass das Filmen von Demonstrationsteilnehmern nur dann erlaubt ist, "wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen". Dies war aber hier nicht der Fall. Das Gericht erklärte also die langjährige Praxis der Polizei von Berlin Demonstrationen auch zu filmen, wenn keine Gewaltbereitschaft erkennbar ist, für rechtswidrig. "Für das Filmen friedlicher Demonstranten fehlt eine Rechtsgrundlage in Berlin", so ein Gerichtssprecher.

Auf Seiten der Ordnungshüter sieht man das Urteil kritisch. "Wir teilen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht. Bei allen Großveranstaltungen ist die Live-Beobachtung durch die Einsatzleitung der Polizei aus Gründen der Gefahrenabwehr notwendig. Sollte die Entscheidung obergerichtlich bestätigt werden, dann ist der Gesetzgeber in Berlin gefordert", so der Berliner Innensenator Ehrhart Körting laut einer Sprecherin.

Die Humanistische Union, eine Bürgerrechtsorganisation, sieht das Urteil dagegen positiv. "Das Verwaltungsgericht hat mit seinem Beschluss die Demonstrationsfreiheit erheblich gestärkt. Es gibt ein Recht von Demonstrationsteilnehmern, ohne Angst vor Videoüberwachung an friedlichen Versammlungen teilzunehmen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht lag diese Wertung auf der Hand", so Prof. Dr. Fredrik Roggan, stellvertretender Bundesvorsitzender der Organisation. "Schon die Befürchtung, dass die Teilnahme an einer Versammlung staatlicherseits registriert wird, kann Menschen von dem Gebrauchmachen von grundrechtlich verbürgten Freiheiten abhalten. Von diesem Gebrauchmachen aber lebt unsere Demokratie. Deshalb ist das Urteil zu begrüßen. Wir fordern den Berliner Gesetzgeber auf, bei einer eventuellen Novellierung des Versammlungsrechts den Grundgedanken dieser Entscheidung zu beachten", so Roggan weiter. Bleibt zu hoffen, dass die Gesetzgeber der entsprechenden Länder sich nun nicht genötigt fühlen, nachzubessern.

Quelle: Polizei darf friedliche Demonstrationen nicht filmen