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View Full Version : [News] LG München I legt IP-Liste aus Gestattungsverfahren bei Akteneinsicht offen



Snitlev
05.08.11, 14:34
[I]Es geht doch: LG München I legt IP-Liste aus Gestattungsverfahren (§ 101 IX UrhG) bei Akteneinsicht offen[/I 05. August 2011

11:30 Uhr von
Rechtsanwalt Jens-Christof Niemeyer
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Gesinnungswandel des LG München I über die Notwendigkeit der Übersendung auch der IP-Liste an betroffene DSL-Anschlussinhaber im Gestattungsverfahren nach § 101 IX UrhG?

Wenn ein Inhaber eines DSL-Anschlusses abgemahnt wird, weil jemand eine Urheberrechtsverletzung festgestellt haben will, die über diese Leitung begangen worden sein soll, dann möchte er erfahren, auf Grundlage welcher Tatsachen seinem Provider aufgegeben wurde, Namen und Anschrift offenzulegen. Im Gestattungsverfahren nach § 101 IX UrhG haben Anschlussinhaber daher als Betroffene ein Recht zur Akteneinsicht (und sogar zur Beschwerde). Die örtliche Zuständigkeit der Gestattungsverfahren richtet sich nach dem Sitz des Providers. So entscheidet das Landgericht (LG) Köln über die Fälle, die Kunden der Deutschen Telekom betreffen. Die Landgerichte Bielefeld und München I befanden bzw. befinden über Sachverhalte, bei denen Anschlüsse von Telefónica O2 Germany für illegale Tauschbörsenaktivitäten genutzt worden sein sollen.




Wenn ein Gericht Einsicht in seine Akten gewährt, dann dürfen nach Hartmann weder «gedankenlose Großzügigkeit noch gleichgültige Strenge» an den Tag gelegt werden. In Köln und Bielefeld sieht die Praxis so aus, dass auf entsprechenden Antrag – früher oder später – die komplette Akte zur Einsichtnahme übersandt wird.
Dem Betroffenen beziehungsweise seinem Anwalt stehen damit – unter anderem -
⇒ eine präzise Erläuterung der Ermittlungsmethodik seines Falls und auch
⇒ eine Liste aller ermittelten IP-Adressen und Zeitpunkte
zur Verfügung.

Die Ermittlungsmethodik wird üblicherweise durch eidesstattliche Versicherungen der Mitarbeiter der Log-Firmen glaubhaft gemacht, so dass sich hieraus Verteidigungsansätze ergeben können. Ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 10. Februar 2011 (Az. 6 W 5/11) macht deutlich, dass auch die Offenlegung der IP-Liste gegenüber den Betroffenen geboten ist: Trotz Zwangstrennung und IP-Neuvergabe nach spätestens 24 Stunden waren dort zum selben Werk identische IP-Adressen gleich an mehreren Tagen gespeichert worden. Dies sprach für eine fehlerhafte Ermittlung und damit gegen das Vorliegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung. Ohne Kenntnis der IP-Liste hätte der Anschlussinhaber diesen für die Verteidigung wertvollen Gesichtspunkt, den das Landgericht im Auskunftsverfahren übersehen hatte, nicht finden können.




In Verfahren vor dem LG München I wurde (mir und Kollegen) die IP-Liste bisher nicht übersandt. Man berief sich auf den Gerichtspräsidenten, der dieses angeordnet bzw. im Rahmen einer Rücksprache für richtig erklärt habe. Offenbar stand hinter dessen Entscheidung der Gedanke, dass es sich bei IP-Adressen um personenbezogene Daten handelt.

Für die Übermittlung der gesamten Akte, also auch der IP-Liste, spricht allerdings, dass der Betroffene anhand der IP-Adressen zwar Fehler, nicht jedoch Identitäten aufdecken kann (wäre ihm das möglich, müsste das Gericht nicht die Provider zur Beauskunftung zwingen).




In einem kürzlich von mir bearbeiteten Fall erhielt ich die Liste dann doch übersandt. Die Ursache des Gesinnungswandels ist mir nicht bekannt. Ich hatte dem Gericht zuvor unter anderem die folgenden Gedanken mitgeteilt, die anderen Betroffenen oder Kollegen vielleicht hilfreich sein können:


Gegen die Herausnahme der Liste mit den Verbindungsdaten (ASt 1) spricht, dass dies den Betroffenen daran hindern kann, Ermittlungsfehler zu entdecken. In diesem Zusammenhang wird auf das am OLG Köln unter dem Az. 6 W 5/11 von einem Betroffenen geführte Beschwerdeverfahren gegen eine Gestattungsanordnung gemäß § 101 IX UrhG verwiesen. Dort wurde die Fehlerhaftigkeit der Gestattungsanordnung festgestellt, nachdem in der Liste der vermeintlichen Rechtsverletzer Unregelmäßigkeiten bemerkt worden waren, so dass im Ergebnis nicht mehr von hinreichend zuverlässigen Ermittlungen der Antragstellerin ausgegangen werden konnte. Unregelmäßigkeiten, die sich etwa in Gestalt mehrfach über die Zeit der Zwangstrennung hinaus vorhandener IP-Adressen zeigen können, können jedoch dann nicht zum Gegenstand einer Be*schwerde gemacht werden, wenn die Akteneinsicht in der beabsichtigten Weise beschränkt wird. In der Herausnahme der Liste mit den Verbindungsdaten wäre daher eine Behinderung der Rechtsverteidigung des Betroffenen zu sehen, die nicht hingenommen werden kann.

Die den vermeintlichen Rechtsverletzern von der Antragsgegnerin nach den Ermittlungen der Antragstellerin zugeordneten IP-Adresse sind dynamisch. Zu dynamischen IP-Adressen wird vertreten, dass schon kein Personenbezug im Sinne von § 3 I BDSG gegeben ist (Buchner in Taeger/Gabel, § 3 BDSG, Rn. 17). So hat das AG München seinem Urteil vom 30. September 2008 (Az. 133 C 5677/08) die Auffassung zugrunde gelegt, dass eine IP-Adresse kein personenbezogenes Datum darstellt. Selbst wenn dies anders bewertet würde, müsste für die Frage der Bestimmbarkeit der Person auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden (Moos in Taeger/Gabel, § 12 TMG, Rn. 8). Vorliegend ist dem Betroffenen die Herstellung eines Personenbezugs nicht möglich (siehe auch Dammann in Simitis, § 3 Rn. 63). Wäre jemand anderes als die Antragsgegnerin hierzu in der Lage, so wäre das in § 101 UrhG normierte Auskunftsverfahren obsolet (siehe nur Wimmers in Schricker/Loewenheim, § 101 UrhG, Rn. 99ff.).

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Autor: Rechtsanwalt Jens-Christof Niemeyer

Quelle: Abmahnwahn-Dreipage Aktuell (http://abmahnwahn-dreipage.de/aktuell.html)

Dieser Sinneswandel ist auch erforderlich um der Gegenseite alle Beweise vorlegen zu können inkl. der IP-Listen.

Was mir aber neu ist das es hier unterschiedliche Gerichtsstände für die Provider gibt, siehe blaumarkierten Absatz.


mfg