Der Aufschwung der Wirtschaft werde "ein rasches Ende nehmen", es drohe ein "nationaler Notstand erster Ordnung". In allen Bereichen sei "ein beängstigender Mangel an Akademikern" zu erwarten. Mehr Abiturienten, mehr Studenten forderte der Philosoph und Reformpädagoge Georg Picht Mitte der Sechzigerjahre, er rief den "Bildungsnotstand" aus. Die Politik lasse es "in dumpfer Lethargie geschehen", dass das Land "hinter der internationalen Entwicklung der wissenschaftlichen Zivilisation" zurückbleibe.
Mehr als 40 Jahre später ist - schon in quantitativer Betrachtung - der Niedergang abgewendet. Gut die Hälfte jedes Jahrgangs erwirbt das Abitur oder Fachabitur; viele Hochschulen werden praktisch überrannt. Eben deshalb bahnt sich aber nun ein neuer Notstand an.
Das dritte Jahr in Folge liegt die Anzahl der Studienanfänger bei einer halben Million - von der Politik wird diese Bildungsexpansion mit Jubelrufen flankiert. Die Hochschulen aber ziehen Mauern auf: Der Numerus clausus für Bachelor-Studiengänge wird fast der Regelfall, vor allem in attraktiven Universitätsstädten. Wer keine Spitzennoten im Zeugnis hat, kommt nicht an den gewünschten Studienort, vielleicht auch nicht an das gewünschte Fach. Oder er muss Wartesemester erdulden. Das klingt nach einer kolossalen Ungerechtigkeit. Es ist aber nur die halbe Wahrheit.
Die Rektoren reiben sich nicht feixend die Hände
Den Hochschulen kann man ihr Vorgehen nicht zum Vorwurf machen. Die Rektoren reiben sich nicht bösartig feixend die Hände. Sie sind sich bewusst: Wenn man junge Leute hineinlässt, muss man ihnen auch ein Angebot machen, das den Namen Studium verdient. Die Rektoren wissen, dass ihre Häuser schon jetzt zu einer Art Bildungsbäckerei geworden sind, und sie wollen verhindern, dass das immer schlimmer wird.
Wie ist die Lage denn? Teiglinge, zuvor in den Schulen geknetet, werden hineingeschoben. Anschließend wird ihnen kurz Zeit zum Reifen zugestanden, bevor sie unter Hitze und in festen Formen bis zum Bachelor gebacken werden - und die Bäckerei verlassen. Möglichst schnell, kostengünstig bitte. Das Ausmaß dieser Expansion hätte sich der Pädagoge Picht wohl nie im Leben ausgemalt.
Doch ohne eine wirklich verlässliche Finanzierung ergibt die Expansion wenig Sinn. Zwar war die Politik nicht untätig: Mit dem Hochschulpakt wurde schon vor Jahren der Aufbau zusätzlicher Studienplätze beschlossen. Jüngst haben Bund und Länder den Pakt gar aufgestockt - jedoch gerade mal an die prognostizierten Anfängerzahlen angepasst. Der grundsätzliche Mangel an Personal und an geeigneten Räumen aber ist damit nicht behoben.
Den 22-jährigen Vollakademiker hat man sich erhofft
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