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View Full Version : Kündigungsversuch durch Haarspalterei



Snitlev
22.06.12, 09:48
Das Landesarbeitsgericht Köln wies dieses Jahr einen Anwalt in die Schranken, der seinen Rechtsanwaltsfachangestellten mit einer originellen Begründung dem Arbeitsmarkt wieder zuführen wollte. So störte sich der Advokat nicht etwa an mangelnder Körperpflege seines Arbeitnehmers, etwa in Sachen Rasur, sondern im Gegenteil bildete u.a. ein Rasierapparat sogar den Vorwand für den Kündigungsversuch. So hatte der Anwalt seinen Fachangestellten zunächst wegen Aufladens seines iPods abgemahnt, was der Kanzlei elektrische Energie entzogen habe. Heimlich jedoch hatte der Arbeitnehmer zwar nicht seinen iPod, wohl aber seinen Rasierapparat das Netz aussaugen lassen. Wie er aufflog, etwa durch Flackern der Lampen oder ähnliches, ist nicht bekannt.
Das Gericht stufte die mit dem Aufladen herbeigeführte wirtschaftliche Belastung als offensichtliche Lappalie ein, zumal diese Eigenmächtigkeit nicht zu nachteiligen betrieblichen Auswirkungen geführt habe. Jedenfalls habe der Anwalt mit dem Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung deutlich überreagiert, diese sei unverhältnismäßig.



Quelle: Kündigungsversuch durch Haarspalterei | Telepolis (http://www.heise.de/tp/blogs/6/152252)

Das Urteil ist begrüßenswert und zeigt mal wieder deutlich wie kleinlich so mancher Arbeitgeber im Umgang mit seinem Personal ist. Ein kleines Gespräch im Vorfeld hätte doch gereicht anstatt; klar als Anwalt muss man ja Recht haben und klagen.
Davon ab hätte ich wohl als Angestellter auch keine Lust mehr unter so einer "Arbeitsbeziehung" zu arbeiten und würde mir eine neue Herrausforderung suchen, ganz zu schweigen davon das der Angestellte wohl wenig motiviert ist für ihn zu arbeiten was auch nicht gerade förderlich fürs Betriebsklima ist...


mfg

LongbowArcher
22.06.12, 16:15
Problem: Die Arbeitsgesetze schützen den Arbeitnehmer mehr als den Arbeitgeber. Da die Arbeitnehmer mittlerweile wissen, dass man bei einer betriebsbedingten Kündigung (dem häufigsten Grund) bei einer Klage sehr gute Aussichten auf Erfolg hat (ca. 40% wehren sich mit einer kundigungsschutzklage, wobei 80% der Arbeitnehmer, die ein Urteil erreichen, auch Gewinne. Vorher wird aber meist ein Vergleich erwirkt), müssen Arbeitgeber andere Wege suchen, um zu kündigen. Es muss klar sein, dass Kündigungen oftmals nicht unumgänglich und unvermeidbar sind.

Leider wissen wir natürlich nicht, wie sich die Vorgeschichte darstellt. Ist der Angestellte im oben genannten Fall vielleicht zu recht aber aus falschem Grund gekündigt worden? Hatte der Anwalt eigentlich gute Gründe den Angestellten zu feuern? All das wissen wir nicht.

Wie hart das Arbeitsrecht für arbeitgeber sein kann, habe ich vor kurzem selbst erlebet (allerdings als Arbeitnehmer auf Klägerseite ^^).

Snitlev
22.06.12, 17:10
Problem: Die Arbeitsgesetze schützen den Arbeitnehmer mehr als den Arbeitgeber.

Ja auf den kleinen Weg der den Arbeitnehmern bleibt, aber mal daran gedacht auf welcher Basis die Arbeitgeber von den Arbeitsgesetzen besser geschützt werden ?

Siehe das leidige Thema: Leiharbeiter, Zeitarbeiter Befristete Arbeitsverträge ectr.

Meiner Meinung nach haben die Arbeitnehmer kaum noch andere Möglichkeiten sich überhaupt zur Wehr zu setzen, und die lieben Arbeitgeber nutzen nunmal ihre Möglichkeiten komplett aus um den "Arbeitnehmer" in meinen Augen zu unerträglichen Arbeitsbedingungen daraus ihren Nutzen zu erzielen. Also auf gut Deutsch minimaler Aufwand => Größtmöglicher Ertrag, wie auch immer das zu stande kommt. Denn die rechtlichen Bedingungen werden ja freundlichst von unser Politik bereitgestellt.

Allen sollte klar sein dass die Politik durch die Wirtschaft bestimmt wird, aber wir sollten nicht nur auf die Bedingungen schimpfen trotz "optimierten Sklaventums" (Leiharbeiter, Zeitarbeiter) profitieren wir alle davon, zumindest die die einen festen/unbefristeten und sicheren Arbeitsplatz besitzen.

Ich will jetzt hier nicht die Arbeitgeber schlecht machen, poste das nur als Antwort auf LbA's Antwort.
Ich habe sogar Verständnis für die Arbeitgeber die nunmal aufgrund des Wettbewerbs ihren Rahmen an Möglichkeiten (geschaffen durch die Politik) vollkommen ausnützen, ich würde es wohl nicht anders machen.

Das ganze kann man aber wesentlich fairer und arbeitnehmer freundlicher strukturieren, vorrausgesetzt die Bedingungen sind gleich, sozialverträglich und auch human gestaltet. Diese Vorraussetzungen kann aber nur die Politik schaffen indem sie diese unmenschlichen Bedingungen für Zeitarbeiter/Leiharbeiter abschafft!

Ebenfalls bin ich mir sicher das unsere Unternehmer auch dieses dann für sich optimal einsetzen können und das dann zu normalen humanen Arbeitsbedingungen umsetzt, so wie es sich für ein demogratisches modernes zivilisiertes und fortschrittlichen Land im 21 Jahrhundert gehört.


mfg

LongbowArcher
22.06.12, 19:54
Leiharbeit usw ist eine Entwicklung, die durch die Kündigungsschutzgesetze nun mal unumgänglich ist. Wenn Arbeitgeber für Position, die keine ständige Besetzung bedürfen eben niemanden einstellen können, weil das ordentliche Kündigen fast unmöglich ist, dann greift man auf Leiharbeit zurück. Wobei Leiharbeiter aber immer noch in einem festen Arbeitsverhältnis sind, nämlich bei der zeitarbeitsfirma. Aber das haben wir nun schon in genügend Themen hier durchgekaut.

Insofern gibt es hier auch nicht die frage, ob die Henne oder das Ei zuerst da waren. Die Gesetze, die eine Ordentliche Kündigung fast unmöglich machen, waren zuerst da. Nun muss man überlegen was man will. Wenn man die Arbeitnehmer weiter schützen will, dann sollten die Gesetze natürlich so bleiben wie sie sind, muss dann aber auch damit leben, dass Einstellungen nur zögerlich geschehen (vor allem im mittelständischen Bereich wird vorher dreimal überlegt, ob man jemanden einstellt) und das es Zeitarbeitsfirmen gibt.
Schränkt man die Gesetze dagegen ein, kann man natürlich schneller seinen Job verlieren, findet dafür aber auch schneller wieder einen, weil das Einstellungsrisiko niedriger ist.

Ich hab keine Ahnung, welche der beiden Möglichkeiten die bessere ist.