PDA

View Full Version : Berliner Wahlsieger: Die Piraten von A bis Z



Snitlev
20.09.11, 11:55
Wann wurden die Piraten gegründet? Wer ist ihr Chef? Was wollen die eigentlich? Kurz: Wer sind bloß diese Piraten? Antworten auf das Phänomen in alphabetischer Reihenfolge.




Anfänge

Die Piratenpartei wurde im September 2006 in Berlin gegründet. Zunächst existierte sie als Forum und Wiki im Internet, am 10. September wurde die Bewegung dann als Partei angemeldet.

Bildung

Die Partei will die traditionellen Klassen auflösen und stattdessen jedem Schüler ermöglichen, nach seiner eigenen Geschwindigkeit zu lernen. Zudem wollen die Piraten einen "Rauschkunde-Unterricht" einführen, in dem das Thema Drogen behandelt werden soll.

Charisma

Junge Herren mit Kapuzenpullis und bedruckten T-Shirts, die unsicher vor Kameras agieren - die Spitzenkandidaten wirken ähnlich unkonventionell wie die Grünen in ihren Anfangsjahren. Beim Meinungsforschungsinstitut Forsa heißt es: "Unzufriedene Wähler, die früher ihr Kreuz bei den Grünen gemacht haben, stimmen jetzt für die Piratenpartei. Dies liegt auch an der Kampagne der Grünen, die im Gegensatz zu früheren Wahlen ihre Frechheit komplett verloren hat."

Drogen

Der Konsum von Haschisch soll legalisiert werden.

Erfolge

Bei der Bundestagswahl 2009 erreichte die Partei zwei Prozent der Stimmen. In Berlin schafften die Piraten damals immerhin 3,4 Prozent. In Hamburg wurden Anfang 2011 zwei Kandidaten in Bezirksversammlungen gewählt. Im Berliner Abgeordnetenhaus werden künftig 15 Piraten sitzen - übrigens exakt die Anzahl der Kandidaten, die die Partei aufgestellt hatte.

Finanzen

Die Piraten finanzieren ihre Ausgaben durch Spenden sowie durch staatliche Zuwendungen, die ihnen aufgrund von Wahlteilnahmen zustehen. Zurzeit erhält die Partei rund 800.000 Euro.

Gegner

Die Piraten sind im klassischen Parteispektrum links-liberal angesiedelt. Der Autor Henning Bartels schreibt in einem Buch über die Partei, dass lediglich CDU und CSU in wesentlichen Punkten den Forderungen der Piraten widersprechen würden. Außerdem gelten ihnen die Vertreter der Musik- und Filmindustrie (siehe auch Lobbyorganisationen) als Gegner.

Hamburg

Im Bezirk Bergedorf gibt es eine Fraktionsgemeinschaft aus FDP und Piratenpartei.

Internationalität

Der Pirate Parties International ist der Dachverband der Piratenparteien. Er umfasst 22 Vollmitglieder (unter anderem aus Australien, Russland und Großbritannien).

Jörg Tauss

Der wegen Besitz von Kinderpornografie auf Bewährung verurteilte Ex-SPD-Politiker Jörg Tauss, wechselte als Abgeordneter 2009 zur Piratenpartei und saß für sie einige Monate im Bundestag. Er trat nach einem dreiviertel Jahr wieder aus der Partei aus.
Kampagne

In Berlin haben die Piraten mit Plakaten in knalligen Farben und rätselhaften Botschaften geworben: "Mindestlohn ist eine Brückentechnologie" heißt es etwa. Gemeint ist, dass ein Mindestlohn eine Brücke in den Arbeitsmarkt ist. Die Kandidaten ließen sich salopp ablichten, einer mit Schiebermütze, ein anderer mit Turban.

Landtagswahl

Die Piratenpartei ist bislang bei elf Landtagswahlen angetreten. Ihr bestes Ergebnis hat sie in Berlin mit 8,9 Prozent erzielt. Am schlechtesten hat sie in Hessen abgeschnitten: 0,5 Prozent im Jahr 2009.

Mitglieder

Die Partei zählt zurzeit rund 12.000 Mitglieder. Tendenz stark steigend

Der 28-jährige Bioinformatiker aus Tübingen ist Bundesvorsitzender der Piratenpartei. Er war zuvor Mitglied der CDU

Die Parteifarbe der Piraten

Die Gründungsmotivation der Partei. Im Zuge der Strafverfolgung von illegalen Musikdownloads machten sich die ersten Aktivisten für ein Recht auf Privatkopien stark. (siehe auch Vorbild)

Die ehemalige Parteichefin der Grünen, Angelika Beer, ist mittlerweile Mitglied der Piraten, ebenso wie ihr Ex-Parteifreund Herbert Rusche.

Musikclub in Berlin-Kreuzberg, einer der Hochburgen der Piratenpartei. Hier haben die Wahlgewinner am 18. September ihren Erfolg gefeiert.

"Klarmachen zum Ändern"

Die Piraten verstehen sich als Partei der Informationsgesellschaft, wichtig sind ihnen Urheberrecht, Datenschutz und Transparenz des Staates. In Berlin war der freie Zugang zum Internet eines der Hauptthemen. Die Partei fordert zudem die kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs sowie bundesweit ein Grundeinkommen für alle Bürger.

Piraten-Parteien gibt es in verschiedenen europäischen Ländern. Sie verfolgen alle die gleichen Grundsätze (siehe Themen und Internationalität), die in der Uppsala-Erklärung zur Europawahl 2009 festgehalten wurden.

Die im Frühjahr 2006 gegründete schwedische "Piratpartiet", die ihren Namen wiederum von einer Kampagne der Musikindustrie ableitet, die Raubkopien als Piraterie ächtet. (siehe auch Privatkopien und Lobbyorganisationen)

Jung, männlich, technikaffin: Die Wählerschaft könnte man als das bezeichnen, was gemeinhin unter dem Etikett Nerds läuft. Vor allem aus dem Reservoir (ehemaliger) Grünen- und Nichtwähler konnte die Partei in Berlin ihre Wähler rekrutieren.

Aus der FAQ auf der Piraten-Website:
"Wie ist eure Position zum Thema XYZ? Die Positionen der Piraten stehen im Parteiprogramm und im Wahlprogramm . Wir diskutieren und erarbeiten zudem permanent neue Themenvorschläge Wenn du mitdiskutieren willst, dann tu es einfach, diese Seiten sind nicht auf Parteimitglieder beschränkt."

Quelle: Berliner Wahlsieger: Die Piraten von A bis Z - Politik | STERN.DE (http://www.stern.de/politik/deutschland/berliner-wahlsieger-die-piraten-von-a-bis-z-1729619.html)

So einmal ein paar Fixdaten zu den Überfliegern im Berliner Bundestag, ich kann von mir aus sagen das ich fast zu allen Punkten "den Gefällt mir Button" drücken würde.


mfg

mabuse
20.09.11, 12:25
Das geilste Wahlergebnis des Jahrzehnts . . .

Se7Ven
20.09.11, 20:12
Endlich haben die etablierten und konventionellen Parteien einen Denkzettel erhalten um die Unzufriedenheit im Volke zu erahnen weiter so Piraten volle Fahrt voraus ahoi es kann politisch mit frischem Wind nur besser werden

Instab
20.09.11, 23:38
tut der politik sicher gut wie ich schon an anderer stelle gesagt habe

mirrormask
21.09.11, 00:18
können wir jetzt darauf hoffen, dass zumindest mittelfristig der abmahnungs irrsinn eingedämmt wird?
übrigens schön, dass im politik forum einmal so ziemlich alle diskutanten einer meinung sind...

Snitlev
21.09.11, 09:19
Berliner Piraten: It's the content, stupid


"Die Piratenpartei kann man wählen, aber die Stimme ist dann natürlich im Gulli", kommentierte der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle kurz vor der Bundestagswahl 2009 die damals noch chancenlose Kleinpartei. Zwei Jahre später hat sich das Stimmungsbild zumindest in der Hauptstadt gründlich gewandelt: Während die FDP am Sonntag den Wiedereinzug ins Berliner Abgeordnetenhaus klar verpasste, holten die Piraten aus dem Stand heraus kaum für möglich gehaltene 8,9 Prozent. Erst vor zwei Wochen übersprang die Partei in ersten Umfragen die Fünf-Prozent-Hürde.
15 Berliner Piraten werden in den nächsten fünf Jahren hauptberuflich Politik machen. Dafür gibt es eine monatliche "Entschädigung" in Höhe von 3.233 Euro plus 955 Euro Unkostenpauschale. Zusätzlich stehen 580 Euro für angestellte Hilfskräfte bereit. Mit diesen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet, wird der Berliner Landesverband in den nächsten Jahren wohl entscheidend den programmatischen Weg der Gesamtpartei vorzeichnen. Eine ähnliche Strahlkraft ging Anfang der 1980er Jahre von den Baden-Württemberger Grünen aus, denen ebenfalls als erster Landesverband ihrer Partei der Sprung in ein Abgeordnetenhaus gelang und die inzwischen auch den ersten grünen Ministerpräsidenten stellen.
Über die Ursachen des Wahlergebnisses gehen die Einschätzungen weit auseinander, auch unter Demoskopen. So verkündete (PDF-Datei) die Forschungsgruppe Wahlen noch am Wahlabend, nur 10 Prozent der Piratenwähler hätten "wegen der Inhalte" für diese Partei gestimmt – eine Analyse, die über die Nachrichtenagentur dpa von zahlreichen Medien aufgegriffen wurde. Umgekehrt ermittelte Infratest Dimap, dass für Piratenwähler "stärker als bei allen anderen Parteien inhaltliche Überlegungen" eine Rolle gespielt hätten. Besonders die Schul- und Bildungspolitik der Partei wäre für die größtenteils jungen Sympathisanten ein Grund für ihre Wahlentscheidung gewesen.

Quelle: heise online - Berliner Piraten: It's the content, stupid (http://www.heise.de/newsticker/meldung/Berliner-Piraten-It-s-the-content-stupid-1345849.html)

siehe auch, http://www.forschungsgruppe.de/Wahlen/Wahlanalysen/Newsl_Berl11.pdf

http://berlin.piratenpartei.de/bundestags-wahl-2009/landesliste/index.html

Protestpartei? Ach was!


Für manche Journalisten ist die Sache sonnenklar. Wer eine so seltsame Partei wie die Piraten gewählt hat, kann das nur aus Protest getan haben – und auf keinen Fall aus inhaltlichen Gründen. Was die Piratenpartei will, wofür sie steht; alles egal: Das Wahlergebnis ist, glaubt man den Instant-Analysen, nur ein Symptom für die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien.
Entsprechend sahen dann auch die TV-Wahlsendungen aus. Die Galionsfiguren der FDP durften in die Mikrofone plaudern, dass da "natürlich noch Luft nach oben" sei, die Piratenpolitiker dagegen sagten nichts. Sie wurden in etlichen Sendungen gar nicht erst vor die Kamera geholt, obwohl sie mehr als viermal so viele Stimmen bekommen haben wie die FDP. Und auch dem Gros der Printmedien fällt zu den Politik-Newcomern nur eines ein: Protest, oder es wird gar gleich der "digitale Wutbürger" aus der Kiste geholt.
Protestparteien: Das waren bislang immer Gruppierungen aus den Außenbereichen des politischen Spektrums; Parteien, bei denen fraglich ist, ob man es darin überhaupt mit Demokraten zu tun hat. Beim Wort "Protestpartei" schwingt deshalb immer auch ein wenig "Igitt" mit – mit Demokratieablehnern will man, zu Recht, nichts zu tun haben. Die Piraten sind nun aber zweifellos ausgewiesene Demokratiegutfinder: Die Forderung nach mehr direkter Demokratie war eines der zentralen Themen des Piraten-Wahlkampfs. Die Wähler protestieren also gegen die etablierten demokratischen Parteien, indem sie eine Partei wählen, die sich "mehr Demokratie" auf die Fahnen geschrieben hat?

Die Wähler haben sich für die Piratenpartei entschieden, weil sie sich durch diese besser repräsentiert fühlen als von den etablierten Parteien.

Quelle: Protestpartei? Ach was! | c't (http://www.heise.de/ct/artikel/Protestpartei-Ach-was-1345796.html)

So nun ist auch langsam mal gut mit dem Lob und anerkennenden Worten dieser "Hoffnungspartei", jetzt will ich auch mal sehen was sie von Ihren Programmen umsetzen können/werden und wie sie sich im Bundestag schlagen werden...

mfg

LongbowArcher
21.09.11, 14:29
Einige gute Ansätze, zu wenig Ahnung, teils absolut utopische Vorstellungen (z.B. kostenloser ÖVPN) und ansonsten sehr ähnlich den Jungen Liberalen (Jugendpartei der FDP).

Berliner Wahl: Die Piraten, Partei der Nochnichtbesserverdienenden - Nachrichten Kultur - WELT ONLINE (http://www.welt.de/kultur/article13617238/Die-Piraten-Partei-der-Nochnichtbesserverdienenden.html)

mabuse
22.09.11, 09:14
Naja, gebt den Jungs eine Chance. Die Grünen haben auch nicht viel besser angefangen, und aus denen ist trotzdem was Gutes geworden.


Und ich denke mal, wir können uns immerhin darauf einigen, das uns die Piraten als Partei für die Protestwähler tausendmal lieber ist als die NPD . . .

v6ph1
22.09.11, 13:18
Einige gute Ansätze, zu wenig Ahnung, teils absolut utopische Vorstellungen (z.B. kostenloser ÖVPN) und ansonsten sehr ähnlich den Jungen Liberalen (Jugendpartei der FDP).
Damit passt du ziemlich genau in das Klischee:

Man wirft uns vor, wir hätten kein Programm, das Programm sei nicht umsetzbar, und die anderen Parteien hätten das alles auch im Programm.
https://twitter.com/#!/pavel23/status/116568286019330048

Und der Vergleich mit einer derartig bedeutungslosen Partei ist schon fast eine Beleidigung.

Dass hier immer der kostenlose ÖPNV angesprochen wird, zeugt gerade zu von Inkompetenz:
Der Berliner ÖPNV kostet 1Mrd. € im Jahr - je zur Hälfte aus Ticketpreisen und von der Stadt getragen.

Mit dem kostenlosen ÖPNV würde die erste Hälfte wegfallen, aber es ergeben sich noch einige Einsparungen:
1. Keine Unterhaltskosten mehr für Fahrkartenautomaten, Entwerter usw. (Auch keine Kosten mehr um diese zu Reparieren,...)
2. Einsparung der Fahrausweiskontrollen.
3. keine Schwarzfahrer mehr:
3a. kein Verwaltungsaufwand
3b. keine Gefängnisplätze mehr (in Berlin sind es aktuell ca. 155 Personen, die deswegen Einsitzen)

Bei all diesen Punkten kann man sicher weit über 100Mio. einsparen und somit das System effizienter gestalten.

Aber es ist immer wieder interessant zu sehen, aus welchem Bereich die Kritiker kommen:
Springer-Verlag (Welt)
Parteienforscher (ein Titel, für den es gefährlich ist, wenn man überhaupt weiß, welche Parteien angetreten sind)
Konservative Parteien (CDU, CSU)
Spaßparteien (FDP)

mfg
v6ph1

LongbowArcher
22.09.11, 13:19
Oh nein, jetzt geht das wieder los...