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View Full Version : Kernfusion: die Energieerzeugung der Zukunft?



Snitlev
02.02.10, 07:41
Greifswald - Da durfte sie mal wieder Physikerin sein: beim Besuch des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald bezeichnete Merkel das im Aufbau befindliche Kernfusionsexperiment "Wendelstein 7-X" als "Projekt, mit dem Deutschland Fusionsgeschichte schreiben kann." Noch sei die Kernfusionsforschung Grundlagenforschung ohne Gewissheit auf Erfolg. Ziel der Fusionsforschung ist es, analog zu den Prozessen auf der Sonne durch die Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen. "Wenn wir erfolgreich sind, wird die Kernfusion dazu beitragen können, den Energiebedarf ab der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts zu decken", sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts, Günther Hasinger. Ein Gramm Brennstoff (die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium) kann nach Angaben des Instituts in einem Kraftwerk rund 90 000 Kilowattstunden Energie freisetzen, was einer Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle entspreche.

Quelle: Kernfusion: die Energieerzeugung der Zukunft? - Nachrichten welt_print - Politik - WELT ONLINE (http://www.welt.de/die-welt/politik/article6214117/Kernfusion-die-Energieerzeugung-der-Zukunft.html)

Warum nicht, wenn dadurch das Energie-Problem der Zukunft gelöst werden könnte, denn nur mit alternativen Mitteln, wie Wind, Wasser und Sonne lassen sich die immer höher werdenden Energieverbräuche nicht bändigen ganz zu schweigen von den Kosten;
Eine gesunde Mischung halte ich für sinnvoll...

mfg

v6ph1
02.02.10, 09:49
Doch, man kann den Energiebedarf mit alternativen Energien decken - vielleicht noch nicht jetzt, aber in absehbarer Zeit könnte man es.
Es würde reichen, in der Sahara ein großes Solarkraftwerk zu bauen, um die gesammte Welt mit Energie zu versorgen.

Was das Fussionsprinzip anbelangt, so ist das schon lange bekannt und wird seit 20 Jahren immer mal wieder als das Kraftwerksprinzip der Zukunft gefeiert.

Große Probleme sehe ich aber, das Brennmaterial zu besorgen:
Wasserstoff gibt es zwar in Massen, aber der Anteil an Deuterium (schwerer Wasserstoff) und Tritium (überschwerer Wasserstoff), ist verschwindend gering.

Deuterium ist noch relativ gut verfügbar: Man benötigt ca. 60kg Wasser für 1g Deuterium.
Tritium ist nahezu garnicht verfügbar - auf der Erde sind es aktuell ca. 3,5kg, man müsste es also energieaufwändig herstellen.

Und wenn man bedenkt, wieviel Kohle hierzulande Verbrannt wird, würde man auch jede Menge Deuterium-Tritium-Gemisch benötigen:
Das eine Gramm würde nur eine Stunde in einem Kraftwerksblock reichen - Weltweit nichtmal eine Sekunde.

mfg
v6ph1

El-Mo
02.02.10, 23:39
Große Probleme sehe ich aber, das Brennmaterial zu besorgen:
Wasserstoff gibt es zwar in Massen, aber der Anteil an Deuterium (schwerer Wasserstoff) und Tritium (überschwerer Wasserstoff), ist verschwindend gering.

Da kann ich Dich beruhigen: Deuterium ist mehr als genug vorhanden und erstaunlich leicht zu gewinnen - nicht ohne Grund kosten 100 Gramm schweres Wasser (also Wasser, in dem die normalen Wasserstoff-Atome durch Deuterium ersetzt sind) unter 100€ im Fachhandel. Tritium ist aber in der Tat problematischer - es sind dafür spezielle Kernreaktoren in der Planung, die in der Art schneller Brüter arbeiten. Tatsächlich fallen bereits jetzt in den mit schwerem Wasser moderierenden AKWs jährlich einige Kilogramm an (ca. 1kg pro 5 GWa, d.h. ein Reaktor mit durchschnittlich 1000MW Leistung benötigt 5 Jahre, um ein Kilogramm zu erzeugen). Die Entwicklung spezieller Blankets (also der Hüllen um die reaktiven Elemente) steckt aber noch in den Kinderschuhen.
Das Problem ist hier also, dass die vermeintlich saubere Kernfusion auf diese Weise die ungeliebten Kernkraftwerke benötigt, um mit Brennstoff versorgt zu werden.
Kernfusion ist auch ohne Tritium möglich: Die Energiebilanz für die Deuterium-Verschmelzung oder die in der Natur in Sternenzentren vorkommende Fusion normalen Wasserstoffs ist sogar deutlich besser*; leider benötigen die letztgenannten Prozesse eine Zündtemperatur von mindestens 400 Millionen Kelvin - bei der Tritium-Fusion sind es "nur" 100 Millionen Kelvin.

*cave: Ernergiebilanz ist nicht gleich Reaktionsenergie! Die Energiebilanz beinhalt unter anderem den Wirkungsquerschnitt einer Reaktion. Die von v6ph1 angesprochene derzeit energieaufwändige Produktion von Tritium (die später aber in verbesserten Prozessen sogar ebenfalls gewinnbringend verlaufen könnte) muss auch noch berücksichtigt werden!

mabuse
03.02.10, 11:18
Es würde reichen, in der Sahara ein großes Solarkraftwerk zu bauen, um die gesammte Welt mit Energie zu versorgen.
Klasse Idee.
Allen Terroristen und wahnsinnigen Machthabern etc. ein einziges, schönes Ziel vorgeben . . . Elementare Politik: Die Energieversorgung des eigenen Volkes gibt man nicht aus der Hand. Nicht, solange es noch Nationen mit Grenzen und eigenen Interessen oder religiöse Fanatiker gibt.

Mal ganz davon abgesehen, das die Energieverluste bei der Verteilung enorm wären.


Die Energiebilanz für die Deuterium-Verschmelzung oder die in der Natur in Sternenzentren vorkommende Fusion normalen Wasserstoffs ist sogar deutlich besser;
Das ist nicht richtig.
Der Deuterium-Tritium-Zyklus liefert gut drei bis viermal soviel Energie wie die beiden Deuterium-Deuterium-Reaktionen. siehe Wikipedia - Kernfusion (http://de.wikipedia.org/wiki/Kernfusion#Stellare_Kernfusion)



Tritium ist nahezu garnicht verfügbar - auf der Erde sind es aktuell ca. 3,5kg, man müsste es also energieaufwändig herstellen.
Energieaufwändig ist doch kein Problem, wenn die Kernfusion damit läuft. Es würde lediglich den Wirkungsgrad des Gesamt-Prozesses herabsetzen. Aber witzigesweise wird dabei sogar Energie frei, wenn man es clever anstellt . . .
Denn dies ist gar nicht so ein großes Problem, da bei der Deuterium-Tritium-Fusion ein Neutron frei wird. Mit Lithium-6 liefert dies wieder unmittelbar Tritium. Und da man den Reaktor ja sowieso kühlen muss, bietet sich gleich flüssiges Lithium an. Das erzeugt ebenbei sogar Energie - bis zu 25% der Gesamt-Produktion. (siehe Blanket (http://de.wikipedia.org/wiki/Blanket)). Und mit ein paar konstruktiven Tricks mit Berrylium oder Blei kann man sogar mehr Tritium ernten, als an Neutronen verloren gehen.

Außerdem wird bereits jetzt reichlich Tritium in gewöhnlichen Spaltungsreaktoren hergestellt, das Zeug wird nämlich bereits jetzt auf breiter Front in Medizin, Forschung, Technik und Waffentechnik eingesetzt (siehe Tritium (http://de.wikipedia.org/wiki/Tritium#Verwendung)).


Die Kernfusion ist die Energiequelle der Zukunft. Es ist nicht ganz so leicht wie die Spaltungstechnologie (aber es sind andere Probleme, als ihr sie hier ansprecht), daher geht es bei weitem nicht so schnell, wie wir uns das wünschen würden, aber ich denke, wir werden gerade noch erleben, wie der erste kommerzielle Reaktor ans Netz geht.

Alternative und regenerative Energiequellen sind zwar schön und gut und werden auch künftig einen immer größeren Beitrag leisten, aber solange wir Solarkraftwerke nicht im Orbit installieren, werden wir immer von Wetter/Jahreszeiten/Tageszeit abhängig sein, daher können wir auf Energiequellen, die davon unabhängig sind und auch schlechte Perioden überbrücken können, nicht verzichten